Was haben der 40 Hektar große „Krater von Pocking“, die kleine Ilzer Flussperlmuschel, das erste Rebhuhn-Singerl vom Kühberg in Passau und das Experiment „Catch the Carbon“ gemein? Alle diese Naturschutzprojekte werden vom Landschaftspflegeverband (LPV) Passau vorangetrieben – und noch viele andere mehr. Das hat Geschäftsführer Franz Elender auf dem Maifest des Verbands eindrucksvoll mit einer Foto-Show vermittelt.

Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pause fand beim Knott in Jacking wieder ein Landschaftspflegertreffen „live“ statt. Rund 150 Landschaftspfleger und etliche Vertreter von Behörden, Naturschutz, Umweltbildung und Kreisrat wollten sich die Zusammenkunft nicht entgehen lassen. Als kurz nach Beginn noch ein paar Nachzügler in den Saal kamen, mussten Tische angebaut und weitere Stühle hereingetragen werden.

Klar, der Schwerpunkt lag auf dem Bericht von „Chef“ Franz Elender. Schließlich hat sich 2020 und 2021 eine Menge getan, und die Zeiten bleiben spannend. Doch ging es auch darum, sich mit den Landschaftspfleger-Kollegen auszutauschen, mit den Liedern des Bayerischen Bauern- und Beamtengesangs die Heimat hochleben zulassen – und miteinander zu lachen. Der „gespielte Witz“ der neunköpfigen LPV-Geschäftsstelle und eine aktualisierte Version des „Kaiwe-Mille-Kiwe-Gummi-Ditzl-Dichtung-Songs“ mit Flöten und Gitarre wirkten ungemein erheiternd.

„Zur Arbeit gehört auch das Feiern“, hatte LPV-Vorsitzender Hermann Baumann in seiner Begrüßung vorangestellt – und den Landschaftspflegern für ihre Arbeit gedankt. Stellvertretender Landrat Klaus Jeggle lobte deren Engagement und die gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt, insbesondere mit der Unteren Naturschutzbehörde. Deren Leiterin Christiane Kotz nutzte die Gelegenheit, ihr Team vorzustellen. Nach gut vier Stunden bester Information und Unterhaltung traten dann die ersten Bauern den Heimweg an.

Und das waren die Meilensteine von 2020 und 2021: „Catch the Carbon“ – „Hol den Kohlenstoff wieder in den Boden“. Was tun mit dem Mähgut, das nicht als Viehfutter verwertet werden kann, weil es verunreinigt ist? Was tun mit Mähgut in Gegenden, in denen es zu wenige Rinder gibt, die es fressen? Kann man dieses Mähgut nicht so präparieren, dass man es auf die Flächen ausbringen und zum Humusaufbau nutzen kann? Diese Fragen brannte dem LPV so sehr unter den Nägeln, dass er mit Hilfe von Fördergeldern das ehrgeizige Projekt „Catch the Carbon“ gestartet hat.

Klimafreundliche Humuswirtschaft

„Wir versuchen, das Grüngut auf den Acker zu bringen, ohne es zu kompostieren. Bei der Kompostierung entstehen Hitze und Methan, und es wird Kohlendioxid in die Luft abgegeben. Wir wollen den Kohlenstoff aber im Boden ,binden‘“, erklärt Franz Elender. Auf dem Betrieb von Markus Baumgartner in Frimhöring führte der LPV mehrere Feldversuche durch. Fazit: Wenn man das Mähgut mit Biokohle (alternativ mit Urgesteinsmehl) und einer Art Milchsäurebakterien (effektive Mikroorganismen) versetzt, wird die organische Substanz nicht sofort abgebaut, sondern konserviert – und kann einige Monate später auf den Acker ausgebracht werden. In Japan nennt man die Methode „Bokashi“, was so viel heißt wie „fermentiertes Allerlei“. Man kann damit aus Küchenabfällen Dünger machen. Das „konservierte Mähgut“ dient dann den Regenwürmern und Mikroorganismen als Nahrung und ist ideal für den Humus-Aufbau.

Eine weitere Säule klimafreundlicher Humuswirtschaft sieht der LPV im Projekt „Klima-Landwirt“ der integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) an Rott und Inn. Seit Anfang 2022 beraten und zertifizieren Franz Elender und Johannes Wiederer die hier unter Vertrag genommenen „Klima-Landwirte“ beim Anlegen von Streuobstwiesen, Blumenwiesen und Hecken.

Kann man Humus selber „machen“? Franz Elender und sein Team haben es probiert – und herausgefunden: Es funktioniert. In Frimhöring haben sie Mähgut mit Biokohle versetzt. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Milchsäurebakterien (effektive Mikroorganismen)

Ein Mammutprojekt ist die Begrünung eines 40 Hektar großen Areals, das durch den Ausbau der A94 bei Pocking entstanden ist. Die Landschaftspfleger decken hier dem Kiebitz den Tisch, in dem sie Mähgut von artenreichen Wiesen aus der Region ausbringen und damit den Boden mit vielen nützlichen Samen, Pilzen und Kleinstlebewesen „impfen“. Die reiche Pflanzenvielfalt zieht Insekten an – und diese wiederum schmecken dem Wiesenbrüter. „Wenn das Singerl schlüpft, muss es an Ort und Stelle Insekten geben, nicht ein paar 100 Meter weiter“, betonte Franz Elender.

Der Staat baut die A94 aus, auf dem Areal daneben schafft der LPV ein Areal für Wiesenbrüter wie den Kiebitz. Eine Herausforderung für das Team: Die Fläche ist mit 40 Hektar so groß wie 56 Fußballfelder.

Für sein Naturwiesendruschverfahren und die Muschelzucht wurde der LPV 2021 mit der bayerischen Staatsmedaille ausgezeichnet. „Die Umweltmedaille gebührt den vielen engagierten Landschaftspflegern“, betonte Elender.

Im April 2021 hat der LPV sein Rebhuhn-Projekt offiziell gestartet, im Juli schon wurden auf dem Kühberg in Passau erste Rebhuhn-Jungvögel gesichtet. Auch in Silling, Adlmörting, Sulzbach, Kirchham und Gottsdorf bieten Landwirte auf je zwei Hektar dem Rebhuhn und seinen Jungvögeln Schutz und Nahrung. Doch nicht nur das Rebhuhn ist wieder gekommen: Die Lerche ist da. Und auch Fasane, Hase und Rehe hat die Nachtsichtkamera schon aufgenommen. Die Idee für das Projekt kam von Jäger Hans Hufnagl, der das Rebhuhn seit Jahren schmerzlich vermisst hatte.

Bislang wandelte das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf (WWA) entlang der Vils und entlang einiger Zuflüsse zwischen Vilshofen und Gergweis Ackerflächen in Grünland um, legte Gewässer- und Ackerrandstreifen an. Seit Anfang 2021 setzt das Bayernnetz-Naturprojekt „Lebendiges Vilstal“ diese Arbeiten fort. Ziel ist es, für die Leitarten des Projekts, den dunklen Wiesenkopf-Ameisenbläuling und Wiesenbrüter wie Kiebitz, Brachvogel und Bekassine, die Qualität dieser Lebensräume zu verbessern. Die Trägergemeinschaft besteht aus den Gemeinden Aldersbach und Osterhofen, aus der Stadt Vilshofen und dem Landschaftspflegeverband Passau. Als weiteres Ziel sollen nun Obstbäume und Hecken an Feldwegen gepflanzt werden. Das Projekt soll bis 2025 laufen.

Das Projekt „ArKoNaVera“ ist mit seiner Muschelzucht und Gewässerrenaturierung vorbildhaft gelaufen und hat etliche Nachahmer inspirieren können. Der LPV Passau war von der Trägergemeinschaft „Niederbayerische Flussperlmuschel“ mit den entsprechenden Maßnahmen beauftragt. Im Juni 2021 ging die Projektlaufzeit zu Ende. Der Flussperlmuschelschutz und die Muschelzucht werden nun mit dem Nachfolgeprojekt „Mara“ weiterverfolgt.

Die 180 Landschaftspfleger-Familien setzten 2021 im Landkreis Passau und der Stadt Passau insgesamt 675 klassische landschaftspflegerische Maßnahmen wie Mäharbeiten um. Im Jahr 2020 wurden 350 Obstbäume gepflanzt, 2021 waren es 411 Bäume. 2020 wurden 1925 Meter Hecken angepflanzt, 2021 waren es 150 Meter.

1,38 Millionen Euro im Jahr 2021 umgesetzt

Im Projekt „Blühendes Passauer Land“ hat der LPV im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde im vergangenen Jahr 162 Beratungen für 139 Hektar Fläche durchgeführt. Dazu kamen 21 Beratungen im Vertragsnaturschutz. Beim „Apfeltag“ 2021 in Vilshofen wurden etliche Wildbienen-Hotels gebaut. Die nächste Bau-Aktion findet am 24. Juli beim Familienfest des Landkreises Passau am Rannasee bei Wegscheid statt. Der Gesamtumsatz des Landschaftspflegeverbands betrug 2021 1,38 Millionen Euro.

~Bericht von Simone Kunt

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